Selig lächelndes Frauengesicht mit Blogtitel drauf.
Kulturpessimismus inside.

Montag, 6. Juli 2009

Die Verlogenheit der 68er bei den Teheran-Protesten

Wenn man als Deutscher an das Jahr 1968 denkt, fallen einem sicher schnell die Studentenunruhen ein. Die 68er-Bewegung verstand sich als Abschaffung von rechtskonservativem Muff, der restlosen Aufklärung der Schuldfrage bei der NS-Zeit, Erprobung alternativer Lebensweisen.

Die 68er haben vieles richtig gemacht - leider haben sie auch viel falsch gemacht.
Leider liegt ihr letzter Fehler nicht weit zurück.
Um genau zu sein - erst vor ein paar Wochen.

1967 besuchte der Schah von Persien Berlin. Die 68er (die damals freilich noch nicht 68er genannt wurden) fanden das fürchterlich (zu den genauen geschichtlichen Gründen möchte ich hier keinen Roman schreiben, da muss die Wikipedia mal helfen). Im Laufe der Demonstration wurde auch Benno Ohnesorg erschossen, was zweifelsfrei die Stimmung der Studenten verschlechterte, so dass die Situation auch dann eskalierte.

Nun, 42 Jahre später, gab es Wahlen im Iran. Mussawi gegen Ahmadineschad. Wandel gegen Stagnation. Gut gegen Böse? Ja, auch das.
Natürlich gewann Ahmadineschad. Und natürlich war die Wahl gefälscht.

Fühlen sich dennoch 20 Altlinke dazu verpflichtet, einen Pathos heuchelnden, offenen Brief an die Bevölkerung des Irans zu schreiben? Was soll der Unsinn? Das Titanic-Magazin denkt womöglich dasselbe, zumindest schreibt es: ...

wenn eine selbstverliebte Solidaritätsbekundung gebrechlicher deutscher Revolutionsversager den Demonstranten im Iran natürlich deutlich Auftrieb geben wird, die mehrheitlich nach 1967 geboren und an Details der deutschen Geschichte uninteressiert sein dürften...



Und damit ist auch alles gesagt! Die Teheraner brauchen euch nicht, liebe 20 Unterzeichner (zu dem unter anderem Bommi Baumann oder Christian Ströbele gehören). Eure um Publicity heischende ("Hey, wir sind alt, aber wir habens dennoch drauf! Und das sogar weltpolitisch!") Ansage interessiert die Teheraner Bevölkerung ziemlich wenig.

Was kümmert es das Volk, wenn im weit fernen Berlin sich Menschen zusammenfinden, die vor vierzig Jahren den Aufstand geprobt haben, sich dabei mehr oder weniger selbst demontiert haben, und diese Menschen nun einen albernen Brief schreiben?
Am 2. Juni 1967 demonstrierten vor der Deutschen Oper Berlin Tausende gegen den Besuch des Schah in der Bundesrepublik und Westberlin. Sie solidarisierten sich mit dem Kampf des iranischen Volkes für Freiheit und Demokratie.
Wie toll! Aber bei euch wurde nicht geschossen! Bei euch wurde nicht Infrastruktur und Telekommunikation systematisch lahmgelegt. Euer "faschistoides Bullenschweinestaatsystem" war in Wirklichkeit Plato's Utopia bei den Verhältnissen, die heute im Iran allgegenwärtig sind.

Nochmal: Die Demo 67 war richtig für die damalige Zeit. Bei den 68ern gings nicht nur ums freie Ficken. Nein. Ich spreche auch nicht gegen die 68er-Bewegung.

Ich spreche für die 20 Naseweise, die sich jetzt als Vertreter auserkoren haben und den Iranern weismachen wollen, dass sie sowas kennen. Das ist genauso absurd, wie wenn Sascha Lobo am Grab von den in Teheran getöteten Demo-Opfern einen Kranz für die deutsche Internetgemeinde niederlegen würde.


2 Kommentare:

  1. Grundsätzlich ist es schon richtig, zu fragen, was der Offene Brief uns bringt. Letztentlich wahrscheinlich genau das, was Du beklagst: NICHTS!
    Die andere Seite der Medalie ist allerdings, dass der Brief erst einmal Öffendlichkeit schafft. Die Tatsache allein, dass Du (von der taz und die Titanic mal ganz zu schweigen) darüber berichtest, macht die Menschen aufmerksam.
    Natürlich ist es heuchlerisch. Aber es ist auch folgerichtig: Du erwähnst die Proteste gegen den Schah von Persien. Damit gibst Du eine Antwort auf die Frage: Warum gibt es diesen Brief? Gerade in Zeiten, in denen alle Ideale (und der Auslöser für) die 68er-Revolte/Revolution in Frage gestellt werden, muss eine Daseinsberechtigung her. Was liegt da näher als die Menschen an das Fanal der 68er zu erinnern. Woher diese Bewegung kam, ist wohin sie geht oder so ähnlich.
    Natürlich hilft das nicht dem Protestanten auf der Straße in Teheran. Aber was hilft es demselben, wenn Herr Obama "besorgt" ist? Bisher genauso wenig … Mir stellt sich hier die Frage: Wenn Bush so gehandelt hätte wie es Obama jetzt tut: Hätte ihm das Wahlvolk das nicht als Schwäche oder besser als Einknicken vor dem Erbfeind in Teheran angekreidet? Ich denke: Ja!
    Leider machen die USA mal wieder alles falsch. Die Frage ist wann tut irgendwer irgendwas? ich bin mir noch nicht mal sicher, ob es die Amerikaner sein sollten oder irgendwer anders. Das endet nur im Blut …
    Mach einen konstruktiven Vorschlag, bevor die aburteilst! Am Ende des Tages rettet das Internet auch niemanden.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Hendrik Gaspar

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  2. Dass das Internet nichts rettet, ist mir durchaus bewusst. Doch, wie du schon sagtest, blinder Aktionismus rettet ebenso wenig.

    Klar. Es ist eine gute Aktion, doch 68er und Iran-Unruhen sind zwei verschiedene Themen, die man nicht verallgemeinern darf.

    Blinder Aktionismus nützt nie was. Da hast du völlig Recht. Das sieht man beim Brief, bei deinem Beispiel Obama (wo du auch recht hast mit deinem Bush-Vergleich - manchmal nützt Obama-Hype einfach nicht), das sieht man bei der Politik der CDU (Paintball etc).

    Danke für deinen Kommentar!

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